Verleger Stefan Kruecken (links) und Kapitän Stefan Schmidt

…und das findet Ankerherz-Verleger Stefan Kruecken „ziemlich beschämend“ – Eine Benefizveranstaltung mit Kapitän Stefan Schmidt in der KulturWerkstatt Harburg


Hamburg-Harburg – Sie sind bekannt dafür, mit ihrer Meinung und ihrer humanitären Grundeinstellung nicht hinter dem Berg zu halten: Stefan Kruecken, Verleger des Ankerherz-Verlags, und Stefan Schmidt, ehemaliger Kapitän und heutiger Flüchtlingsbeauftragter von Schleswig-Holstein, waren auf Einladung von Thinkboat, dem „Verein zur Erhaltung der Sea-Eye“ in der KulturWerkstatt Harburg zu Gast. Wie Stephan Siemon, Mitglied bei Sea-Eye und Mit-Inhaber der Buchhandlung Dichtung & Wahrheit in seiner Begrüßung erläuterte, hat der Regensburger Unternehmer Michael Buschheuer das Schiff im Herbst 2015 zum Einsatz in der Seenotrettung gekauft.


Es wurde bis Januar 2019 in dem von Buschheuer geleiteten Verein Sea-Eye als Rettungsschiff genutzt. Inzwischen liegt es im Museumshafen Harburg und dient als Erinnerungs- und Dokumentationsort, aber auch jüngst als Spendensammelstelle für die Geflüchteten in Griechenland.


Stefan Kruecken kommt eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn, wuchtet Bücherkisten auf den Tisch und sagt: „Ich gehe erst mal zum Schiff.“ Es ist dem Verleger offenkundig ein Bedürfnis, mit eigenen Augen zu sehen, wie dieses Schiff aussieht, das mehr als 12.000 Menschen das Leben gerettet hat. Kruecken, der mit seiner schwarzen Strickmütze den Anschein macht, er sei ein Bruder von Torsten Sträter, kommt beeindruckt zurück und sagt gleich eingangs. „Dieses Schiff, 26 Meter lang, hat 12.000 Menschen gerettet. Was für eine Zahl. Das zeigt, was möglich wäre, wenn man das mit größerem Equipment machen würde. Dieses Schiff ist das gute Gewissen Europas – und das finde ich ziemlich beschämend.“ Ihn selbst machten die Bilder betroffen, die die griechische Küstenwache dabei zeigen, wie sie versuchen, ein kleines Flüchtlingsboot zum Kentern zu bringen. Die Bilder von Schüssen und Tränengaseinsatz an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland. „Wenn das Europa ist, dann können wir die ganze Scheisse auch lassen“, sagt er empört.


Wichtig sei angesichts dieser Bilder, „im eigenen Umfeld darauf zu achten, dass gewisse Dinge, die bei uns auf dem Vormarsch sind, nicht passieren.“ Dezidiert nennt Kruecken dabei die AfD und ruft dazu auf, „eine Situation zu schaffen, in der man die Reste der Menschenrechte hochhält. Das kann jeder von uns tun. Bei Facebook. Beim Bäcker.“
Er habe am eigenen Leibe erfahren, was es heiße, sich der AfD entgegen zu stellen. „Ich möchte, dass die Menschen, die anderen Angst machen und drohen, endlich auch bestraft werden. Ich habe nicht das Gefühl, dass man aktuell geschützt wird. Man ist ein Stück Freiwild. Das kann nicht sein.“ An manche Leute komme man nicht mehr heran, deshalb stehe nun fest: „Wer die AfD jetzt noch unterstützt, ist rechtsradikal und muss auch so gelabelt werden.“


Sein Gesprächspartner wurde im Laufe des weiteren Abends Kapitän Stefan Schmidt, der direkt von einem Besuch einer Demonstration gegen die Zustände auf Lesbos zum Veranstaltungsraum kam und dem im Ankerherz-Buch „Kapitäne“ ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Schmidt ist unter Menschenrechtsvertretern dadurch zur Legende geworden, dass er 2004 für die Hilfsorganisation Cap Anamur auf dem Mittelmeer unterwegs war und 37 Menschenleben rettete, wofür er angeklagt wurde und ihm zwölf Jahre Gefängnis drohten. Schmidt hat, wie er im Gespräch mit Kruecken erläuterte, in der Folge den Verein „Borderline Europe – Menschenrechte ohne Grenzen“ gegründet, der es sich zur Aufgabe macht, die menschenfeindliche Politik der EU öffentlich zu machen. „Was damals geschehen ist, begleitet mich heute noch. Ich war und bin der Meinung, das darf doch nicht wahr sein, was da an Europas Grenzen passiert. Wir leben in einem Europa, das Werte hat, und wir geben einfach nicht auf.“ Er berichtet von „Reedern, die sagen: Wenn Du so ein Boot siehst, guck weg.“ Von schwerst traumatisierten Menschen, die erleben, dass Geflüchtete nicht mal mehr die Kraft haben, auf die Rettungsschiffe zu klettern, die ins Meer fallen – und ertrinken. Die aktuelle Situation wertet er als „chaotisch.“ Schläge auf Geflüchtete, Tränengaseinsätze sogar gegen Kinder – „die Situation ist vollkommen außer Kontrolle.“


Hoffnung mache ihm, dass es insbesondere unter den jungen Menschen viele gäbe, die Empathie und Mitgefühl für die Geflüchteten aufbringen. Und er sagt klar: „Ohne Familie und Freunde wäre das für mich nicht auszuhalten.“ Schmidt und Kruecken äußerten „Riesenrespekt für all die Menschen, die mit diesem kleinen Schiff mitgefahren sind. Das kann man gar nicht hoch genug loben.“ Beide verzichteten auf ihr Honorar, um die Arbeit von Thinkboat bestmöglich zu unterstützen.


Spenden werden gerne genommen beim Verein zur Erhaltung der Sea-Eye,
IBAN: DE95 6001 0070 0968 6607 01
BIC PBNKDEFF
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